1995 war ich in Südafrika – fünf Wochen lang. Eine geniale Zeit, in der wir eine Menge erlebten. Wir kauften uns ein Auto ohne Heizung. „Braucht man nicht in Afrika“, dachten wir. War aber anders. Wir froren, als wir nachts durch eines der schönsten Länder fuhren, das wir je gesehen hatten. Mit genügend Castle Bier im Kofferraum war das alles kein Problem – so lange man nicht der Fahrer war. Neben der Schönheit des Landes waren es aber auch die Menschen, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind – Menschen, die unglaublich zerrissen und verschieden waren. Menschen, von denen sich so viele scheinbar nicht gefunden hatten. Viel zu lange hatten sie vorher in einem Land gelebt, das sich über Jahrzehnte versündigt hatte. So tranken wir nächtelang mit hervorragenden Gastgebern und unglaublich netten Menschen, trafen aber bereits am nächsten Tag nur ein paar Häuser weiter, Menschen, die gelinde ausgedrückt rassistische Arschlöcher waren. Einmal besuchten wir auf eigene Faust (wir waren jung und dachten wohl nicht viel nach) ein Township in der Nähe von Johannesburg und trafen einen farbigen Lehrer, der die ärmsten Kinder Johannesburgs unterrichtete. Er war um halb elf morgens sturzbetrunken. Wahrscheinlich ebenso ein Arschloch wie diese Rassisten, die wir vorher getroffen hatten. Oder aber, er hatte viel zu viele Dinge gesehen, von denen wir bis heute nicht mal ein blassen Schimmer haben und suchte Zuflucht im Dilirium. Krasser Gegensatz dazu waren die völlig durchgeknallten Studenten, die uns zwei Nächte Zuflucht gewährten und mit denen wir zwei Nächte unseres Lebens erlebten. Wahrscheinlich werde ich nie vergessen, wie einer meiner Freunde geistesversunken an der Bar an dem Ohr seiner Thekennachbarin knabberte und die das nicht mal merkte. Richtig schräg – aber eben im krassen Gegensatz zu dem Leben, das der Lehrer in den Townships führte.
Eine andere Geschichte, die mir bis heute immer im Gedächtnis blieb, waren die zahlreichen grünen Trikots der nationalen Rugby-Mannschaft, die wir von Kapstadt, über Durban bis hin nach Ports Elizabeth sahen. Es handelte sich um das Trikot der Springboek, der südafrikanischen Nationalmannschaft. Ich machte mir damals keine großartigen Gedanken, was die Springboek während der Apartheid bedeuteten. Also freute es mich sehr als die Jungs den Rugby World Cup holten. Schön war es mitanzusehen, wie auf einmal viele dieser so verschiedenen Menschen miteinander feierten. Erst viel später, als ich mich im Nachinein und noch unter dem Eindruck des Erlebten ein bisschen einlas, erfuhr ich, wer oder was die Springboek eigentlich waren und wofür sie standen.
Nun ist ein Film über den Rugby World Cup 1995 in den Kinos angelaufen. „Invictus“ heißt er und er erzählt die Geschichte der Springboek. Vor allem aber erzählt er die Geschichte eines der größten Menschen unserer Zeit: Nelson Mandela.
Gestern habe ich diesen Film gesehen. Ich zog mir mein Springboek-Trikot aus dem Jahr 1995 an und setzte mich ins Kino. Selten hat mich ein Film so bewegt wie dieser, weil ich viele dieser Menschen von damals wieder traf und wieder erkannte. Die phantastische Leistung von Morgan Freeman und Matt Damon taten ihr übriges – genau wie die großartige Inszenierung von Clint Eastwood, der uns nach „Gran Torino“ damit schon wieder einen echten Knaller vor den Latz geknallt hat. „Invictus“ ist die famose Geschichte eines Sportereignisses, eines Landes und die eines ganz besonderen Menschen.
Ich möchte ihn gerne jedem empfehlen, der eine gute Portion Pathos aushält. Mir war warm und kalt als ich ihn sah – es war als säße ich wieder in diesem Auto ohne Heizung. Leider gab es kein Castle im Kino, was egal war. Denn am Ende gewann ich direkt aus dem Kinosessel den World Cup im Trikot der Springboek. (Foto: Warner)
Und hier der Trailer zum Film: